
Da ich auf meinen letzten Beitrag Nachhaltiges Saatgut so viel Rückmeldung erhalten habe, dachte ich mir, dass ich einen weiteren Artikel zu diesem Thema schreibe. Hier möchte ich auf die Frage eingehen, welchen Einfluss die Agrarkonzerne auf unsere Landwirtschaft und Ernährung haben. Und was Bio-Saatgut aus der ökologischen Branche besser macht.
Brauchen Kleinbauern überhaupt das High-Tech-Saatgut der Chemiekonzerne?
Nein, denn für Kleinbauern sind regional angepasste Sorten, die sie nach der Ernte wieder aussäen können, meistens sinnvoller. Doch die Konzerne versuchen, bäuerliches Saatgut zurückzudrängen und mit ihrem Saatgut Geschäft zu machen. Zudem ist ihr Einfluss auf die Regierungen groß.
Hat die Saatgut-Lobby auch Einfluss auf die Entwicklungspolitik hierzulande?
Unsere Entwicklungspolitik setzt auf sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften, bei denen die großen Konzerne mit im Boot sitzen und ihre Interessen verfolgen. Die Politik kümmert sich zu wenig darum, ob solche Partnerschaften den erwarteten entwicklungspolitischen Nutzen haben. Aus meiner Sicht profitieren davon nur die größeren Landwirte, die ohnehin schon einen besseren Zugang zu Märkten und Betriebsmitteln haben.
Was müsste in der Politik anders laufen?
Entwicklungspolitik muss Kleinbauern stärken. Ein großartiges Beispiel ist die Kleinbauernorganisation UNAC in Mozambique. Sie unterstützt in einem Land mit korrupter Regierung und Schuldenkrise Kleinbauern beim Vervielfältigen, Tauschen und Verteilen von lokal angepassten Saatgutsorten. Diese funktionieren besser als die Hybridsorten, die von der Regierung ausgegeben werden.
Agrarkonzerne behaupten oft, dass sie sich für die Sicherung der weltweiten Ernährung engagieren. Stimmt das?
Die großen Agrarkonzerne sehen die Lösung für die Entwicklungsländern in der Industrialisierung der Landwirtschaft nach westlichem Vorbild. Doch weltweit erzeugen Kleinbauern 70 Prozent der Lebensmittel. Dabei bewirtschaften sie nur ein Drittel der weltweiten Ackerfläche. Deshalb müssen die Kleinbauern gezielt unterstützt werden, damit sie der Armut entkommen können.
Bio-Saatgut | Regional angepasste Sorten sind sinnvoller
Die profitorientierte Züchtung hat noch einen weiteren Nachteil. Sie gefährdet die Vielfalt. Denn die großen Züchter konzentrieren ihre Anstrengungen auf absatzstarke Arten, alle anderen werden kaum noch weiterentwickelt. Global gesehen liefern nur noch 30 Pflanzenarten 95 Prozent der pflanzlichen Nahrungsmittel, schreibt das Bundesamt für Naturschutz. Die wichtigsten sind Weizen, Reis und Mais. Dabei wären rund 30 000 Pflanzenarten für die Menschen nutzbar.
Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass die Vielfalt der Kulturpflanzen während des 20. Jahrhunderts um 75 Prozent zurückgegangen ist. Auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland stehen 2600 Arten und Sorten. Etwa Haferwurzel, Gartenmelde und Spargel, aber auch über 100 regionale Weizensorten und ebensoviele Tomatensorten. In den alten samenfesten Sorten steckt die ganze Anpassungskraft der Pflanzen. Diese Anpassungsfähigkeit brauchen wir, um Pflanzen zu züchten, die ohne Agrarchemie auskommen und sich an Umweltveränderungen anpassen können.
Bio-Saatgut | Regional angepasst und zur Nachzucht geeignet
Damit haben einige Bio-Gärtner bereits vor 30 Jahren begonnen. Sie züchten und vermehren Pflanzen für die Bedürfnisse des Öko-Landbaus. Entstanden ist daraus der Verein Kultursaat. Er koordiniert und finanziert die Erhaltung bestehender sowie die Züchtung und Anmeldung neuer Sorten. Über einhundert sind inzwischen zugelassen. In jeder von Ihnen stecken zehn bis fünfzehn Jahre Arbeit und mindestens 600 000 Euro an Kosten. Neben Kultursaat gibt es weitere Vereine und Unternehmen, die sich dem Bio-Saatgut verschrieben haben.

Alle ökologisch gezüchteten Sorten sind samenfest. Ihr Bio-Saatgut kann – anders als bei Hybriden (Was sind Hybride? Ich habe in meinem letzten Beitrag ausführlich darüber geschrieben) – zur Nachzucht verwendet werden. Ganz wichtig auch: Das Bio-Saatgut gehört nicht dem Züchter/der Züchterin.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Verein Agrecol mit seiner Open-Source-Saatgut-Lizenz (OSS). Bauern/Bäuerinnen und Gärtner*innen können unentgeltlich eine Lizenz erwerben und damit das Saatgut nutzen und weiterentwickeln. Dabei räumen sie zukünftigen Nutzer*innen des Saatguts die gleichen Rechte ein. Kurz: Alles, was aus einem OSS-lizenzierten Saatgut entsteht, kann nicht mehr privatisiert werden. Acht Sorten, vor allem Tomaten und Weizen, haben derzeit eine OSS-Lizenz.
Das Interesse an Saatgut von Sorten aus ökologischer Züchtung wächst stetig. Zahlreiche Bio-Läden verkaufen im Frühjahr die Saatguttütchen und sie bieten auch Gemüse aus Öko-Zucht an. So etwa die Möhre Rodelika, den Hokkaido-Kürbis Red Kuri oder die Pastinake Aromata. Derzeit testet die Bio-Branche zusammen mit dem Öko-Züchterverein Bioverita eine einheitliche Kennzeichnung mit dem Spruch “Bio von Anfang an”. Denn noch stammt auch im Bio-Laden das meiste Gemüse aus konventionell gezüchtetem Hybridsaatgut. Weil es schön einheitlich aussieht, günstiger ist und deshalb bevorzugt gekauft wird.
Öko-Branche unterstützt Bio-Saatgut
Die Naturkost-Branche unterstützt das Bio-Saatgut auch mit Geld. So zahlen Bio-Importeure und Bio-Großhändler im Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) 0,015 Prozent ihres Obst- und Gemüseumsatzes in einen Fördertopf. Auch Stiftungen wie die Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit ihrem Saatgutfond oder einzelne Bio-Hersteller fördern die Züchter*innen. Deren Arbeit kommt zwar der Allgemeinheit zugute, muss aber dennoch bezahlt werden.
Noch liegt die Macht über das Saatgut bei den vielen Millionen Kleinbauern/-bäuerinnen auf der Welt. Denn bislang werden nur 20 Prozent des weltweit genutzten Saatguts durch Handel erworben, 80 Prozent gewinnen die Bauern/Bäuerinnen nach wie vor durch Nachbau und Tausch, insbesondere in Asien und Afrika. Doch genau dort sehen die Konzerne ihre Chancen für Wachstum und neue Geschäfte.
Schon entdeckt?
Im Bio-Laden gibt es Gemüse aus samenfestem und damit Nachbau-fähigem Saatgut. Zum Beispiel die Möhre Rodelika und den Kürbis Red Kuri.
Ihr Werkzeug dafür ist unter anderem das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV). Es versucht, den in den Industrieländern üblichen Sortenschutz auch in Entwicklungsländern durchzusetzen. Mit Hilfe der dortigen Regierungen. Damit würde chemieabhängiges Hochertragssaatgut die angepassten Sorten der Kleinbauern verdrängen. Saatgut mit Sortenschutz darf zwar im Gegensatz zu Patentsaatgut von Züchter*innen ohne Erlaubnis und Lizenzgebühren weitergezüchtet werden. Doch nur die Sorteninhaber*innen, also die Konzerne, dürfen das Saatgut vermehren, aufbereiten und verkaufen. Wollen Landwirt*innen aus der Ernte gewonnenes Saatgut erneut aussäen, müssen sie dem/der Züchter*in dafür eine sogenannte Nachbaugebühr zahlen. Dagegen engagieren sich zahlreiche Organisationen. Sie alle setzen sich dafür ein, dass die Bauern/Bäuerinnen das bleiben, was sie zehntausend Jahre lang waren: Die Hüter des Saatguts.

Weiterführende Literatur
Banzhaf, Anja: Saatgut – Wer die Saat hat, hat das Sagen. Oekom Verlag 2016. 272 Seiten, 19,95€
Siegel, Taggart; Betz, Jon: Dokumentarfilm (DVD): Seed – Unser Saatgut; W-Film / Lighthouse Home Entertainment, 2019. 95 Minuten, 13,99€
Ich hoffe ich konnte euch durch diesen Beitrag weitere Tipps und Informationen zur Hand geben. Wenn es weitere Themengebiete gibt, über die ihr gerne mehr wissen wollt, dann schreibt mir diese doch gerne unten in die Kommentare. Bis dahin, eure Fabi
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